Ein Essay von Matthias H. Rauert, Pécs
Heute klingt der Tag der deutschen Einheit aus, dazu einige Randbemerkungen, wie wir Deutsche in Ungarn diesen Tag hier früher begingen – und was ich heute feststellen musste.
Der 3. Oktober war bis 2014 ein Tag, auf den man sich als in Pécs-Fünfkirchen lebender Deutscher freute, trotz Merkel. Die Botschaft in Budapest organisierte einen Empfang, im wesentlichen für die deutsche Minderheit in Ungarn, deutsche Wirtschaftsniederlassungen und Freunde Deutschlands und ebenso das Honorarkonsulat in Pécs, das bis zum Sommer 2014 von Prof. László Korinek geleitet wurde. Dieser Empfang fand im sog. Festsaal des Komitats statt, wenn auch nicht am 03. selbst, sondern ein oder einige Tage später, da der deutsche Botschafter bzw. die Botschafterin oft als Ehrengast erwartet wurde und er oder sie logischerweise nicht auf zwei Hochzeiten tanzen kann.
Es wurde nach der persönlichen Begrüßung durch den Konsul und Gattin am Eingang des Festsaals eine Rede auf den Anlass, die deutsche Einheit, gehalten, so der Botschafter bzw. die Botschafterin da war, durch ihn, sonst durch den eigens aus Budapest angereisten (beamteten, als ein Diplomat) Konsul bzw. die Konsulin. Kern der Botschaft war die Dankbarkeit, die das deutsche Volk gegenüber den Ungarn für das Durchschneiden des Zauns bei Sopron im Zuge des sog. „Europa-Picknicks“ im Sommer 1989 und den daraus folgenden Umwälzungen im ganzen Ostblock, ja ganz Europa, empfindet – empfand, muss man heute wohl sagen. Auch der Honorarkonsul ergriff anschließend das Wort, dankte und sprach einen Gruß in Deutsch und Ungarisch und eröffnete das Büfett. Unter Dr. Korineks Nachfolgerin Dr. Zsuzsanna Gerner, einer Germanistin an der PTE, änderte sich zunächst spürbar nichts, jedenfalls nicht zum Schlechten, im Gegenteil, der Empfang fand nun im Festsaal des Grand Hotels Palatinus (Bartók-Saal) statt, ebenso ein glanzvoller Rahmen. Zu den Gästen gehörten die Spitzen der städtischen Verwaltung, auch die Leitung der Feuerwehr und der Polizei des Komitats Branau erschien in Paradeuniformen, nur der Bürgermeister selbst ließ sich durch einen 2. oder 3. Bürgermeister vertreten – akzeptiert. Ferner erschienen die Spitzen lokaler ungardeutscher Verbände, sogar aus dem entfernteren Komitat Tolna, die Leiter des Lenau Kulturhauses in Pécs, Lehrer und Direktoren deutscher Gymnasien wie Gábor Frank vom Deutschen Schulzentrum (Kindergarten, Allgemeine Schule, Gymnasium) in Pécs und Gattin… Politiker sonst eher nicht, was auch mit den dürftigen Deutschkenntnissen in der einstigen Hochburg des schwäbischen Ungardeutschtums zusammenhängt.
Aber insgesamt war es ein erhebender, wohltuender Abend. Es tat gut zu hören, dass unsere beiden Völker eng befreundet sind, deutsche Gäste und Investoren nach wie vor hoch willkommen waren. So war es noch am 03. Oktober 2015.
Unmerklich kleine Änderungen begleiteten den Zerfall der ungarisch-deutschen Beziehungen erst unter Merkel, erst recht und Kanzler Scholz und Außenministerin Bärbock. Die Veranstaltung wurde durch deutsche, im Komitat und dessen Umkreis ansässige Firmen wie Hauni Hungaria (heute Körber) mitgesponsert. In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre zog sich dieser Sponsor zurück. Konsulin Dr. Gerner sagte mir auf der Veranstaltung, es sei ihr ein Rätsel. Auch das Kollegium des deutschsprachigen Zweigs des Leöwey-Gymnasiums, das bis 2009 mit mehreren Personen vertreten war, erschien nicht mehr. Je länger, dümmer und parteiisch-ungerechter die Kanzlerdarstellerin Merkel auf internationalem Parkett agierte, besonders gegenüber dem Land, dem man doch angeblich die deutschen Einheit verdankt, desto weniger war mir die Zurückhaltung der Wirtschaft ein Rätsel. Heute ist die Entwicklung dahin gelangt, dass sich die deutsche Wirtschaft auf einen Rülpser aus dem Kanzleramt bzw. aus Südafrika geschlossen der LGBTQ-Szene unterwirft. Wer nicht auf Messen und Konferenzen irgendwo sichtbar die Regenbogenfahne trägt und nicht immer wieder mal was von Diversität, Equality und dergleichen faselt, der ist ein Nazi und gehört gesellschaftlich geächtet und von jeder menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen. Und dieses infantile Theater auch in Ungarn durchzuhalten, ist nicht ganz einfach.
Dann kam die Corona-Hysterie. Die schönen, gedruckten Einladungskarten wurden eingestellt, die Einladung erfolgte per E-Mail. Ich sagte mit großen Bedauern per E-Mail meine Teilnahme ab, auch im folgenden Jahr 2021. Zum 03. Oktober 2022 erhielt ich auch keine Einladung – ja, wen wundert’s? Schon unter Merkel hatte, spätestens seit 2016, als Mitte Januar des Jahres die ganze Dreistigkeit der Merkel-Gäste, in Köln und Hamburg und anderswo, zu Tage trat, fragte ich mich: Wie lange soll ich noch gute Miene zum bösen Spiel machen?
Persönlich fühle ich mich seit Corona von gemischten Gefühlen befreit, dennoch: Es geht doch bei der Präsenz der Deutschen Botschaft auch immer um die Pflege unserer gemeinsamen deutschen Sprache und Kultur. Es müssen Menschen DA sein, die sich darum kümmern, dass diese Werte nicht verloren gehen.
Und nun seht mal bitte auf die Website der deutschen Botschaft in Budapest: Da findet sich dies und das, einiges Nützliche, oder das Außenministerin Baerbock gerade wieder mal nach Kiew zu ihrem Freund Sele gereist war – nur eines findet man nicht: Irgendeinen Hinweis auf den Tag der deutschen Einheit, ein kurzes Grußwort, von Bärbock oder Bundespräsident Steinmeier zum Anlass – nichts.
Aber was soll man auch von den rot-grün:innen Deutschlandhassern erwarten, außer: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“.
Freunde, die ihr nun in Ungarn beheimatet seid: Wir sind allein. Es liegt an uns, was wir daraus machen.
Startseite des Auswärtigen Amtes am 03.10.2023, 22.56 Uhr:
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