Binnen zwei Tagen ist es Kleinstadt Dabas im Süden des Komitats Pest zu zwei tragischen Unfällen gekommen, bei denen zwei Fußgänger überfahren und in der Blüte ihres Lebens in den Tod gerissen wurden, während von ihren Unfallgegnern keinerlei Verletzungen berichtet werden.
Ein Unfall, der aufhorchen lässt, weil sich das Opfer anscheinend ordnungsgemäß verhielt, ereignete sich laut Polizei-Portal gestern früh um 5.15 Uhr: Eine Frau, die ein Elektrorad über einen gekennzeichneten Fußgängerüberweg schieben wollte, wurde auf dem Zebrastreifen von einem SUV erfasst. Die 40-jährige starb noch an der Unfallstelle. Die Alkoholsonde schlug bei dem 66-jährigen Fahrer des Stadtgeländewagens nicht an.
Erst am 16.10.2020 hatte das zentrale Portal der Polizei gemeldet, „in der Frühe“ sei ein 45-jähriger Mann im „Innengebiet“ von Dabas von einem PKW überfahren worden, er sei noch an der Unfallstelle gestorben. Der Unfall am 16.10. muss sich vor 7.35 Uhr, dem Datum der Meldung und damit sehr früh am Tage, wenn alles zur Arbeit „haladt“ (eilt), wie es in der jüngeren Meldung heißt, bei regennasser Straße, so erinnern wir den vergangenen Freitag, ereignet haben.
Aber letztlich sind die genauen Umstände beider Unfälle noch ungeklärt. Wichtigste Verkehrsachse von Dabas ist die Nationalstraße 5, die, von Budapest nach Kecskemét führend, sich auf 5 Kilometer Länge durch die Kleinstadt zieht, die meiste Zeit durch Land- und Gewerbegebiete, aber auch entlang von Wohngebieten, wie unser Titelfoto zeigt. Die parallel östlich davon laufende Autobahn M5 sollte die Funktion einer Umgehungsstraße um den Ort einnehmen – anscheinend tut sie das aber nicht in dem Maße, dass man davon reden kann, Gefahrensituationen in Dabas seien damit bedeutend entschärft.
Aus der dürftigen Faktenlage lassen sich derzeit keine weiteren Schlüsse ziehen als dieser: Beide tödlichen Unfälle ereigneten sich im morgendlichen Berufsverkehr (dass der Fahrer des gestrigen SUV 66 Jahre alt ist, spielt dabei keine Rolle, die Betonung liegt auf BerufsVERKEHR) bei eher mäßigen Sicht- und schlechten Straßenverhältnissen in der Dämmerung, wenn alles zur Arbeit oder zum Kindergarten „haladt“ (strebt). Das entschuldigt hier freilich nichts. Aus jahrzehntelanger Fahr- und Verkehrspraxis in diesem Lande weiß ich, dass sehr vielen ungarischen Autofahrern innerörtliche Verkehrseinrichtungen wie Fußgängerüberwege (vulgo „Zebrastreifen“) oder auch nur die Regel, dass die innerörtliche Höchsteschwindigkeit nun einmal höchstens 50 km/h beträgt, herzlich wenig bedeuten. Da wird gerast, gedrängelt und durchgepowert, was der Gasfuß hergibt, genötigt, gehupt, mit demonstrativer Nonchalance innerorts überholt und eben auch mal draufgehalten, als handele es sich bei einem Fußgänger oder Radfahrer nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern um eine Maus oder ein Hologramm, durch das man folgenlos so durchrasen kann wie in einem Animationsfilm, den Leib sozusagen „osmotisch durchdringen“ kann und alles ist folgenlos für den Verkehrsrowdy.
Für unsere Leser lässt sich daraus nur folgern: Bewegen Sie sich als Fußgänger oder Radfahrer sehr vorsichtig, besonders zu Spitzenverkehrszeiten, wenn die Verkehrteilsnehmer nervös auf ihr Ziel „haladnak“ (zustreben). Beim Überqueren einer Straße, auch an einem gekennzeichneten, bevorrechtigten Fußgängerüberweg (Zebrastreifen) stürzen Sie nicht einfach auf die Straße, sondern suchen Sie nach beiden Seiten Augenkontakt mit dem Fahrer des sich nähernden Fahrzeugs. Ist der Weg dann einmal frei, weil die Wagen rechtzeitig anhalten, trödeln Sie nicht beim Gehen, nutzen Sie die Situation nicht aus. Suchen Sie am ehesten immer einen Fußgängerüberweg an einer Ampel auf, auch wenn das einen Umweg bedeutet. Sie könnten dann noch etwas länger leben!
Ungarns Verkehrsverhältnisse sind nicht mit denen in den romantischen Gassen an Amsterdams Grachten vergleichbar, erst recht nicht mit der Situation in Hamburgs Grindelviertel rund um den Uni-Campus, wo die Radnutzer regelmäßig die „critical mass“ erreichen. Ungarns Verkehrsdisziplin ist mit Blick auf die ungenierte Handy-Nutzung im fließenden Verkehr noch schlechter als zur Kádárzeit der 1970 und 1980er. Bedenken Sie auch, dass die Menschen bei fehlendem Freizeitausgleich – kein Sport dank COVID-19! – jetzt aggressiver sein könnten. Halten Sie sich immer vor Augen: Auch das ist Ungarn!