Überblick 14.-16. 2014 / Adventsspeisung am Freitag, den 19.12. in der Pécser City
Erneut erschüttert eine Protestwelle Ungarns rechtsnationales Orbánisten-Regime. Es begann gestern Abend mit einer Demonstration, an der ca. 5.000 Menschen teilnahmen, auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament. Die Veranstaltung richtete sich gegen das geplante Budget des Orbán-Regimes: „Wir müssen dem Orbán-System zeigen, dass, wenn wir dieses Budget hinnehmen, damit ein nicht wieder gut zu machender Schaden für das Land entsteht”, so der Veranstalter. Einige Demonstranten schwenkten Europa-Flaggen, die, seitdem FIDESZ-„K”DNP-Parlamentspräsident László Kövér die EU-Fahnen aus dem Parlament und Abgeordnetenhaus entfernen ließ, zum Symbol der Bewegung wurden. Wieder ertönten Sprechchöre wie „Orbán, zieh Leine!” (Orbán, takarodj), vgl. Anm. (1)(2)
Heute, Montag, 15.12.2014, läuft ab 9 Uhr ein landesweiter Protest mit Auto-Rallyes und Straßenblockaden, den die LIGA (Liga unabhängiger demokratischer Gewerkschaften ausgerufen hat. Er richtet sich unter anderen gegen die Aufhebung der Frühpensionierung, Besteuerung von Lohn-Nebenleistungen (sog. „Cafeteria”-Gutscheine der Arbeitgeber) und Einschränkungen des Streik- und Versammlungsrechtes. Zwar kommt es (zusammen mit den üblichen montagmorgendlichen Unfällen, von denen schon einige gemeldet wurden) zu zahlreichen Verkehrsbehinderungen, von einem Generalstreik kann allerdings keine Rede sein. Dazu ist die 1988 gegr. Liga, die in den 2000ern einen „Kuschelkurs” (pesterlloyd.net) mit Orbán steuerte, mit ihren ca. 110000 Mitgliedern nicht stark genug.
Am morgigen Dienstag, den 16.12., wird um 18 Uhr unter dem Motto „Wir können nicht zurück” eine landesweite Demonstration durchgeführt, die an die Demos vom 17.11. gegen Orbáns geplante „Internetsteuer” anknüpft und die vor allem von seinen Zwangs-Drogentests für Schüler und Journalisten (!!!) Auftrieb erhält. Derweil wird auf Facebook kolportiert, dass Tamás Deutsch, ehem. Sport- und Jugend(!)minister der FIDESZ im Kabinett Orbán 1 (1998-2002), bei einem Drogentest positiv auf Kokain getestet worden sein soll, was auch von Péter Juhász, dem Vorsitzenden der Bürgerrechtsbewegung Milla, und mehreren Zeugen, die den flotten Tomi beim Koksen beobachtet haben wollen, unterstrichen wird. DeutschTomi, der im Sommer gern Fotos von sich im Freizeitdress an der Seine in Paris postet, reichte umgehend Klage gegen den Bürgerrechtler ein. In Pécs richtet sich der Protest auch gegen die ehemalige FIDESZ-Stadtverordnete Ibolya Fodor (Spitzname „Ebola”), die die Anti-Orbán-Demonstranten auf ihrer Facebook-Seite als „Landesverräter” beschimpft hatte. Wenig später stellte sich heraus, dass Fodor 2003 als Vorsitzende eines Stadtteilvereins im Plattenbauviertel Gartenstadt (Kértváros) 12,5 Mio. Forint (mehr als 50.000 Euro nach damaligem Kurs) veruntreut hatte und dafür rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Als dies in der Presse bekannt wurde, ersuchte die FIDESZ-Fraktion ihre Abgeordnete um Austritt und Niederlegung des Mandats. Letzteres Begehren wies die vorbestrafte Stadtverordnete unter Schluchzen und Tränen in einem Interview mit dem TV-Sender RTLKlub zurück, was die Wut der Pécser Bürger, einer Stadt mit ca. 600 Obdachlosen (bei ca. 146.000 Einwohnern ein rekordverdächtiger Wert) auf die lokalen Vertreter ihres Fußball-„Führers” erheblich steigert.
Am Freitag, den 19.12., findet in Pécs Ecke Jókai- und Széchenyi-Platz von 14–18 Uhr eine öffentliche Speisung und Geschenkeverteilung für Bedürftige statt(3), die von den Gewerkschaften (PDSZ, Gewerkschaft demokratischer Pädagogen) sowie demokratischen Bürgerbewegungen wie der Facebook-Gruppe „Pécser gegen die Verordnung, mit der Obdachlose verfolgt werden” (Facebook-Gruppe „Pécsiek a hajléktalanokat üldöző rendelet ellen”, vgl. Anm./Link 4) veranstaltet wird. Zahlreiche Geschäftsleute spendeten für die Gulaschkanone, darunter ein Hotel 200 Kilogramm Lebensmittel. Auch in der Geschäftswelt, die in Pécs und dem Komitat Baranya bislang in bedingloser Treue zu ihrem „Führer” Orbán und seinen Gauleitern stand, zeigt das nationale Spalier deutliche Risse. Langsam dämmert auch hier in der südlichsten Ecke der Republik die Erkenntnis, dass die Wirtschaftspolitik der Orbánisten, die die Eröffnung einer Botschaft in der sich „dynamisch entwickelnden” Mongolei (so Außenminister Péter Szijgyártó am Freitag im HírTV) und Energieverträge mit Beilmördern als Erfolg verkaufen, das Land in die Katastrophe führt und in der EU doch nicht alles so übel ist – und Wladimir Putin nicht der gute Onkel von Nebenan.
Anmerkungen/Links:
(1) 3-Tage-Überblick aus Budapester Sicht (deutsch) unter dem Titel: „Ungarn: Drei Tage Demonstrationen und Aktionen gegen die Regierung Orbán”
http://pesterlloyd.net/html/1450demo3tageticker.html
(2) Überblick aus Sicht von Új Dunántúli Napló/BAMA.hu (Pécs, Springer-Verlag Berlin-Budapest), Titel: „Regierungsfeindliche Proteste diese Woche auch in Pécs”:
http://www.bama.hu/baranya/kozelet/kormanyellenes-tuntetesek-hete-kovetkezik-pecsen-is-586167
(3) Über die Speisung unter dem Titel (übersetzt): „Volle Bütte – voller Teller” berichteten wir:
(4) Pécsiek a hajléktalanokat üldöző rendelet ellen:
https://www.facebook.com/groups/717399195013936/