Auf Twitter ist gestern Abend überraschend unter dem Hashtag #NichtohnemeinKopftuch eine Kampagne für das Tragen der Kopfwindel angelaufen, die ganz überwiegend von islamischen, meist türkischen Männerprofilen ohne Profilbild und ohne Follower befeuert wird. Anscheinend können es Erdogans U-Boote in deutschen und österreichischen Landen gar nicht abwarten, dass der Jahrestag des unsäglichen, peinlichen Kopftuch-Spruches des ersten „grünen“ Bundespräsidenten Österreichs „gefeiert“ werden kann. Der Islam war eben schon immer seiner Zeit voraus.
Was passierte am 26. April 2017? War da nicht mal was mit #Tschernobyl? Nicht, wenn es nach dem grünen „Sascha“ ginge. Für ihn, der noch während des Wahlkampfes den Landesvater rausgekehrt hatte, der nicht einseitig die grüne Agenda weiterverfolgen wollte, war es der Tag, an dem die grünen Parameter neu bestimmt wurden und zwar höchstamtlich aus dem Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg. Das hörte sich dann so an:
„Jede Frau kann ein Kopftuch tragen. Und wenn das so weitergeht – und damit bin ich schon bei der nächsten Frage, bei dieser tatsächlich um sich greifenden Islamophobie – wird noch der Tag kommen, wo wir alle Frauen bitten müssen, ein Kopftuch zu tragen. Alle, als Solidarität gegenüber jenen, die es aus religiösen Gründen tun.“
Mit anderen Worten lauteten die neuen Parameter: Islam statt Atom, Kopftuch statt (Kraftwerks-)Kühlturm, statt Frauenbefreiung, wie manche Feministinnen die patriarchalichen 68er missverstanden („freie Liebe“ – bis das Kind unterwegs ist und sein Erzeuger auf andere, die auch so frei waren, zeigt), die „Freiheit“, ein KT tragen „zu dürfen“ – als ob das Tragen einer Tuches je, wie Feuerwerk im Sommer, ein Angelschein oder eine Baugenehmigung, gesondert erlaubnis- und anmeldepflichtig gewesen sei.
Generationen von deutschen Frauen haben ein Kopfuch getragen: Landfrauen beim Melken oder bei der Ährenlese; deutsche „Trümmerfrauen“ beim Schuttwegräumen des größten Irrtums aller Zeiten; flotte Cabriofahrerinnen, die es den Stilikonen Marylin Monroe oder Catherine Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ nachtaten oder auch meine Mutter in den 1960ern, als sie zum Schutz vor der morgendlichen Kälte ein Seidenchiffontüchlein überwarf, um dann zum fahrenden Milchmann zu eilen. Noch heute ist das Kopftuch ein Standardrequisit ungarischer Volkstänzerinnen, z.B. als Ausstaffierungsdetail der berühmten, sexy Trachten der Kalotaszeger néptáncos wie zugleich deren schwarze und rote Schaftstiefel – beide Requisiten verkörpern die fesche, bewegliche, attraktive Volksfrau der Karpaten.
Davon aber ist der islamische Hijab, der nach den Vorschriften der Sharia auch noch den Hals, den Nacken und die Schultern bedecken soll, nicht nur Jahrhunderte, genauer gesagt: fast 1400 Jahre, seitdem Mohammed im Jahre 622 mit einer kleinen Schar Getreuer nach Medina floh, womit zugleich die islamische Zeitrechnung einsetzte, entfernt, auch die psychomentalen Konnotationen unterscheiden sich vom Kopftuch der Monroe, der Loren und der Bardot in einem Maße, die in Lichtjahren zu messen ist. Das islamische Kopftuch ist schlicht ein Zeichen beschämender Verschämtheit, welches der Frau, mehr als der Hälfte der Menschheit die „Schuld“ für jedwedes Fehlverhalten des Testeron-gesteuerten Geschlechts anlastet.
Aber es natürlich ein Klacks für den Präsidenten einer Alpenrepublik, den islamischen Hijab zum Maßstab einer neuen, posteuropäischen, postaufkläerischen, postemanzipatorischen „Freiheit“ umzukonnotieren. Dafür ist er schließlich Präsident, höchster Repräsentant und Vordenker in der Wiener Hofburg. Als solcher sollte er immer Vorbild und Protagonist und inkarnierte Deutungsmacht des Volkes, welches er repräsentiert, sein, sozusagen die Summa seiner Gedanken, seiner Seele und seiner Wege, die es einzuschlagen gedenkt:
https://twitter.com/HaraldPetermann/status/857665002869805056
Hoffen wir, dass wenigstens die österreichische Volksseele sich ihres gesunden Verstandes, ihres manchmal gepfefferten Witzes, ihres berühmten, stets im Schweigk’schen k.u.k.-Sinne relativierenden Wiener Charmes und damit alle Eigenschaften, die ein Gegengewicht zu den abgehobenen, grenzwertigen Einfällen, zu den Ideen, die in der anscheinend ungesunden Luft der Dunkelkammern der Hofburg ausgeschwitzt werden, bewahren wird und im richtigen Moment selbst zu seiner Stimme finden wird. Der für Nichtortskundige biedere Wienerdeutsche Dialekt könnte dann aber ganz ungewohnte, ungemütliche Tonlagen annehmen. Wenn Erdogan dann nix verstan, sollte er sich nicht wundern.