Ein Gastbeitrag von Elisabeth Balázs, Budapest
Aus „Vajk“ wird der Gründer von Ungarn
Am 20. August erinnern wir Ungarn uns an den Heiligen Stefan , den Gründer des Landes und der Ungarischen Katholischen Kirche (Regierungszeit: 997─1038).
István, zu deutsch Stefan, war der Ur-ur-Enkel des Fürsten Árpád, welcher der Anführer der landnahmenden Ungarn war („Landnahme“ ist der in Ungarn benutzte Begriff für die Besetzung des Karpatenbeckens, das heißt des dünn besiedelten Territoriums innerhalb der hufeisenförmigen Gebirgskette der Karpaten, durch die ungarischen Stämme im 9 Jh. zogen).
Der Heilige Stefan ist gegen 970 aus der Ehe des Fürsten Geza und der Fürstin Sarolt in Ungarn hervorgegangen. Er hat von seinen Eltern den Namen „Vajk“ erhalten, aber im Alter von 2 Jahren wurde er auf den Namen des ersten neutestamentlichen Märtyrers, des heiligen Stephanus, getauft.
Im Jahre 996 heiratete er die bayerische Prinzessin Gisela, die Schwester des späteren deutsch-römischen Kaisers Heinrich II. In ihrem Gefolge kamen schon viele christliche Missionare nach Ungarn, die für die Christianisierung des Landes sorgten.
Nach dem Tod seines Vaters wurde Stefan 997 zum Fürsten gewählt. Der Beginn seiner Regentschaft war nicht ohne Dramatik, denn nach dem damaligen heidnischen Brauch hätte der freigewordene ungarische Thron Koppány, dem ältesten Verwandten (aus dem Stamme Árpáds) Stefans, zugestanden.
Aber Stefan setzte sich mit Hilfe der bayerischen Ritter gegen seinen Kontrahenten Koppány durch, wie auch später gegen seine verschiedenen Gegner. Nach den Siegen hatte er anschließend seine Macht auf das ganze Land ausgedehnt und dabei Ungarn auf den Weg des Christentums geführt.
Vom Papst gekrönt
Der Hl. Stefan hat vom Papst Sylvester II. mit der Zustimmung des deutschen Kaisers Otto III. die Königskrone (die wahrscheinlich mit der heutigen Krone nicht identisch ist) als Zeichen voller ungarischer Souveränität erhalten. Asztrik, der Abt von Pannonhalma, hat ihm die Krone gebracht und darunter wurde er entweder am 25. Dezember 1000 oder am 1. Januar 1001 in Esztergom von dem ersten ungarischen Erzbischof, Domonkos zuerst gesalbt und anschließend gekrönt. Da die Krone weder vom römisch-deutschen, noch vom byzantischen Kaiser, sondern vom Papst geschickt wurde, galt sie als Apostolische Krone und hat immer den ganzen ungarischen Staat symbolisiert. (Die Krone wurde am Ende des 2. Weltkriegs von den ungarischen Nationalsozialisten, den „Pfeilkreuzlern”, mitgenommen und zuerst in Mattsee vergraben. Später geriet sie in die Hand der US-Streitkäfte und kam so in die USA. Erst 1978 unter Jimmy Carter bekam Ungarn sie zurück. Sie befindet sich mit den anderen ungarischen Krönungsinsignien unter der Kuppel des Ungarischen Parlaments.) Die Krönung gilt als eigentlicher Gründungsakt des unabhängigen ungarischen christlichen Königstums.
Jeden Sonntag in die Kirche
Auf seinen Befehl wurde die Bekehrung der Magyaren (Ungarn) begonnen. Eine Gemeinschaft von jeweils 10 Dörfern des Landes wurde dazu verpflichtet, eine Kirche zu errichten und alle Ungarn mit der Ausnahme der Feuerwächter hatten fortan jeden Sonntag in der heiligen Messe zu erscheinen.
Zu den weiteren herausragenden Leistungen des Heiligen Stefan zählen neben der Gründung von 10 ungarischen Bistümern (geführt von den Erzbistümern Esztergom und Kalocsa) auch der Weiterbau der ersten Abtei von Ungarn in Pannonhalma. Die Abtei war dem Papst direkt unterstellt. Er hat das Kloster in Pécsvárad, die Abtei Bakonybél, Garamszentbenedek, Zalavár, die Basilika in Székesfehérvár (nach dem Muster der Aachener Palastkapelle von Karl dem Großen) erbauen lassen. Sie wurde der Heiligen Jungfrau, die Stefan sehr verehrt hat, gewidmet. Er hat auch die Basilika in Esztergom errichten lassen und sie in den Rang eines Erzbistums erhoben, so kam die ungarische Kirche unter den direkten Einfluss des römischen Papstes. Für die Behaltung der Souveränität war das sehr wichtig. Prag bekam den gleichen Rang erst im XIV. Jh.
Westliches Christentum mit der Anwesenheit und Unterstützung der Östlichen Kirche
Rückblickend betrachtet ist es interessant, dass Ungarn sich seinerzeit dem westlichen Christentum anschloss (und nicht dem orthodoxen), aber gleichzeitig durften die byzantinischen Mönche in Ungarn auch weiterhin tätig sein (extra für sie wurden Klöster erbaut, wie u.a. in Pásztó). Ein weiteres Beispiel für Religionstoleranz war, dass die Verlobte des jüngsten Sohnes des heiligen Stefan eine byzantische Herzogin war. Für ihre Erziehung wurde das Kloster von Veszprém erbaut (sie kam als kleines Kind nach Ungarn). Sogar die ersten Nonnen dieses Klosters kamen aus Byzanz. Von diesen byzantinischen Nonnen wurde auch das Messekleid unter der Leitung von Königin Gisela angefertigt, welches später zum Krönungsmantel von Ungarn wurde. Auf dem Mantel sind sowohl die Heiligen der westlichen als auch der östlichen Kirche dargestellt.
Übergabe des Landes an die Heilige Jungfrau
Aus der Ehe des Heiligen Stefan und seiner Ehefrau gingen 4 Kinder hervor, jedoch verstarben beide männliche Thronfolger (Otto und Emmerich) recht früh, so dass es nach dem Tod des Heiligen Stefan keinen Thronfolger aus seiner Familie mehr gab. Stattdessen wurde der älteste Sohn seiner Schwester zum König berufen.
Der Heilige Stefan hatte an seinem Todestag, dem Tag der Heiligen Jungfrau, (den 15. August 1038) seine Krone und damit das ganze Land der Hl. Jungfrau mit der rechten Hand überreicht. (Diese Szene wird sehr oft in den katholischen Kirchen von Ungarn dargestellt). Nach dieser Legende ist die Heilige Jungfrau zur Schutzpatronin von Ungarn ernannt worden und man nennt Ungarn fortan das Land der Hl. Jungfrau: „Regnum Marianum“. Seine rechte mumifizierte Hand, mit der er die Krone der Heiligen Jungfrau überreicht hat, ist eine der wichtigsten Reliquen des Landes. Sie ist auch heute noch in der Stefansbasilika von Budapest zu sehen.
Warum feiert Ungarn den Heiligen Stefan am 20. August?
Der Heilige Ladislaus (1077 – 1095) hat den Heiligen Stefan am 20. August 1083 heiligsprechen lassen, wie auch dessen Sohn, den Hl. Emerich. Deswegen feiert man den Tag des Heiligen Stefans am 20. August und nicht am 15. August, dem eigentlichen Tag seines Ablebens.
Der Stefans-Kult
Auch nach seinem Tod wurde und wird der heilige Stefan in Ungarn verehrt. Ludwig der Große hat ihm zu Ehren im Jahre 1367 im Aachener Dom eine sogenannte ungarische Kapelle mit wertvollen Statuen des Hl. Stefan, Ladislaus und Emerich mit ihren Reliquen errichten lassen. 1686 hat Innonenz der XI. in der ganzen katholischen Kirche am Tag der Rückeroberung der Budaer Burg von den Türken verordnet, dass stets am 16. August eines jeden Jahres des ersten ungarischen Königs gedacht gedacht wird.
Maria Theresia hat seinen Ehrentag, den 20. August, zum nationalen Gedenktag (!) erklärt.