Unser Frühstücksfernsehen zwischen 7 und 8 Uhr besteht aus einer Nachrichtenauswahl und Wiederholungen von Polit-Sendungen des Vorabends. Das Highlight im HírTV war demnach am Montagabend wieder einmal: unser hochgeschätzter, großer, von allen geliebter Viktor Orbán, der, noch sichtlich angegriffen von der Kraftanstrengung seiner Freitagsrede, von „Rájátszás“-Moderatorin Anett Szabó mit einem Schwall von Fragen eingedeckt wurde. Das ganze Repertoire wurde wieder mal durchgearbeitet. So stellte unser Führer einmal mehr seinen Minderwertigkeitskomplex zur Schau („Wir lassen uns von der EU nichts vorschreiben“), trat seinem Intimfeind, dem aus dem Amt scheidenden Notenbankpräsidenten András Simor (für Orbán bekanntlich ein „Offshore-Gauner“) hinterher („Es kann nur besser werden“) und wurde dann schließlich von der Interviewerin auf die aktuellen Forderungen der Lehrer-Gewerkschaft PDSZ angesprochen. Die PDSZ sei mit dem „Laufbahn-Modell“, was sich Orbáns Kultusminister Zoltán Balogh ausgedacht habe, unzufrieden, was der Regierungschef von der Behauptung der Gewerkschaft halte, die Pädagogen seien unterbezahlt? „Sie sollen erstmal mehr arbeiten, dann können sie mehr Geld kriegen“, ließ ein säuerlich dreinblickender Premier die Zuschauer wissen.
An was erinnert uns das noch: Als Gerhard Schröder 1994 zum zweiten Male ins Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten wiedergewählt worden war, konnte seine SPD erstmals mit absoluter Mehrheit in Hannover regieren. Nun schlug er einen strikten Sparkurs zu Lasten der Lehrer und Polizisten ein, den er 1995 in einer Schülerzeitung in Hinblick auf die Lehrer so rechtfertigte:
„Ihr wißt doch ganz genau, was das für faule Säcke sind.“ (Quelle: http://www.zeit.de/1995/26/Faule_Saecke_)
SO also ist auch die Botschaft unseres edlen Regenten zu lesen. Im Klartext: Ungarns Lehrer – alles faule Säcke, die erstmal arbeiten lernen sollen. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Klar, im Gegensatz zu unserem schwer schuftenden Atomdikator, der vor Sorgen um das Wohl und die Zukunft seiner Untertanen nicht in den Schlaf findet, machen sich die überbezahlten Lehrer einen faulen Lenz. Dabei sollte man eines wissen: Die Präsenzpflicht der Schulpädagogen an ihrer Wirkungsstätte ist bereits stufenweise von 22 auf 26 Stunden angehoben worden und soll ab 1. September (bei Bedarf, wenn ein Kollege vertreten werden muss, bei außerordentlichen Sitzungen etc.) noch auf 32 (!) Stunden weiter steigen können.[1] Zusammen mit der Arbeitszeit, die zu Hause für Vorbereitungen der Stunden, Korrekturen von Hausarbeiten etc. anfällt, kann die Wochenarbeitszeit dann bis zu 60 Stunden betragen. Wie eigentlich können die Lehrer und Lehrerinnen unter diesen Umständen noch ihren Unterricht konstruktiv vorbereiten? Sollten sie nicht am besten gleich im Lehrerzimmer campieren? Orbáns Botschaft ist klar: Die faulen Säcke sollen sich nicht so viel auf Communityportalen wie Facebook rumtreiben. Wer so was tut, hat noch zu viel Zeit und kommt nur auf dumme Gedanken. Wer Zeit zum Nachdenken und zum Austausch mit anderen hat, hat eben zu viel Zeit, ist unbequem und passt nicht in den atomaren, gelenkten Zukunfts-Staat, den unser allseits geliebter, weise voraussehender Führer Viktor Orbán seinen „mi magyarok“-Untertanen bereiten möchte.
Matt
[1] Korrigierte Zahlen nach Auskunft der PDSZ, 27.02.13, M. R.