In Veszprém nördlich des Plattensees, einer kleinen Stadt mit rund 64.000 Einwohnern, gewann bei einer Nachwahl der von einem linken Wahlbündnis unterstützte, unabhängige Kandidat Zoltán Kész (41) gegen 4 Wettbewerber von der regierenden FIDESZ, der rechten Jobbik, der nationalliberalen LMP und einen weiteren Unabhängigen mit ca. 43% der Stimmen klar das Parlamentsmandat, welches der FIDESZ bisher die 2/3-Mehrheit im Parlament sicherte, womit die Orbánisten die Verfassung stets maßgeschneidert zu ihren Gunsten hinbiegen konnten. Damit ist es nun erst einmal vorbei: „Die FIDESZ hat in Veszprém eine schallende Ohrfeige bekommen“, meint das regierungskritische Portal index.hu. Das gilt freilich auch für die nationalliberale Partei Lehet Más a Politika (LMP), deren Alleingang von den übrigen Oppositionsparteien scharf kritisiert worden war. Die Wähler sahen es offenbar genauso. Mit noch nicht mal 5% der Stimmen bekamen ihr Spitzenkandidat Ferenc Gerstmár und damit sein Parteichef Schiffer die Quittung für ihr Finassieren. Bis zum Samstag waren Schätzungen in den Medien noch von einem Ergebnis von um 7% für die Ököparteiler ausgegangen.
Die vorläufigen Ergebnisse im einzelnen (nach dem TV-Sender atv.hu):
Zoltán Kész (Linksbündnis): 42,66%
Lajos Némedi (FIDESZ): 33,64%
Andrea Varga-Damm (Jobbik): 13,86%
Ferenc Gerstmár (LMP): 4,62%
Ferenc Bősze (unabhängig): 2,75%
Der Englischlehrer und Lehrbuchautor Kész, dessen Name zu Deutsch „fertig“ bedeutet, woraus sich griffige Formeln einer Facebook-Seite „Veszprém und fertig“ erklären, übernimmt damit das Mandat von Tibor Navracsics. Der ehemalige Außenminister, im Erwerbsberuf übrigens auch Lehrer, musste nach seiner Wahl zum EU-Kommissar am 1. November 2014 den Weg für eine Neuwahl in seinem Heimatwahlkreis frei machen, da ein Amt in der Europäischen Union mit einem nationalen Parlamentsmandat unvereinbar ist. Im Grunde hat also die EU die Vorlage dafür geliefert, dass die FIDESZ/KDNP-Mehrheit die Verfassung nicht mehr nach ihrem Geschmack zurechtbiegen kann – es sei denn, mit den Stimmen der rechtsextremen Jobbik, deren Stimmanteil in Veszprém mit fast 14% immer noch hoch ist. Die Frage ist, wie Kész, der bereits erklärt hat, er werde sich im Parlament in keine der bestehenden Fraktionen eingliedern, damit umgeht. Sicher ist, dass er seinen Erfolg auch bislang eher konservativen Wählern, die die Vetternwirtschaft der FIDESZ satt haben, zu verdanken hat. „Ich bin auch konservativ, weil ich an die Traditionen glaube“, schrieb der zweifache Vater am 17. Januar 2010 auf seinem (ehemaligen) Blog, „weil das Festhalten an Traditionen nicht bedeutet, dass diese nicht vielleicht gänzlich unwandelbar wären.“ Sicher ist, dass der Unabhängige damit in seiner künftigen Budapester Zeit ein umworbener Gesprächspartner auch in eher rechten Kreisen sein wird.
http://www.atv.hu/belfold/20150222-veszpremi-idokozi-oda-a-fidesz-ketharmada
http://index.hu/belfold/2015/02/22/jol_megmozgattak_a_partok_veszpremet
http://index.hu/belfold/2015/0/22/hatalmas_pofont_kapott_a_fidesz_veszpremben