Mit Zsuzsanna Gerner fällt eine Männerdomäne in der Diplomatie
Mit einem echten Novum kann die Europäische Kulturhauptstadt Pécs zu Beginn des Jahres 2014 aufwarten: In Person von Prof. Dr. Zsuzsanna Gerner wurde das erste Mal in der Geschichte der deutschen Diplomatie in Ungarn eine Frau in das Amt des deutschen Honorarkonsuls berufen. Die renommierte, international hervorgetretene Germanistin, Leiterin des Faches Linguistik und stellvertretende Rektorin des Institutes für Germanistik an der Universität Pécs wurde am 29. und 30. Januar vom deutschen Botschafter in Budapest, Dr. Matei I. Hoffmann, in ihr Amt eingeführt.
„Ich möchte ein Scharnier zwischen deutschen und ungarischen Bürgern sein“,
erläuterte Frau Gerner nach dem Bezug ihres neuen Büros im Pressegespräch ihre Programmatik (vgl. Bericht PannonTV).
Nach der Übergabe der von Bundespräsident Gauck ausgestellten Ernennungsurkunde am Mittwoch, der feierlichen Anbringung der Wappentafel des künftigen Konsulates am östlichsten Hauptgebäude der Universität am Donnerstagmorgen und einem gemeinsamen Essen mit offiziellen Vertretern der deutschen Minderheit wurde die neue Konsulin am Donnerstagnachmittag im Traditionsrestaurant „Bagolyvár“ („Eulenburg“) im Rahmen eines Empfangs einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt. Die Eulenburg, am Südhang des Mecsek gelegen, bietet neben einer originellen Einrichtung im Stile einer Rittersaales mit Seitengelassen einen herrlichen Blick über den östlichen Teil der Stadt und auf das Unigebäude, in dem das Konsulat, früher unter der Hausnr. Megye u. 21 in der historischen Altstadt gelegen, nun beheimatet ist – genau das richtige Ambiente für die Veranstaltung einer Kulturwissenschaftlerin. Zsuzsanna Gerner, derzeit auch stellvertretende Dekanin der geisteswissenschaftlichen Fakultät, übernimmt von ihrem Vorgänger, dem Rechtsprofessor László Korinek, ein anspruchsvolles Erbe: Das Amt des deutschen Konsuls ist, wie Botschafter Dr. Hoffmann in seiner Einführungsrede betonte, zwar ein Ehrenamt, hat aber nicht nur repräsentativ-dekorativen Charakter. Nicht nur, dass das Komitat Baranya mit 22.000 Menschen, die sich zu ihrem Deutschtum bekennen, immer noch den größten Anteil an der deutschen Minderheit in Ungarn aufweist (offiziell leben 55000 Deutschungarn in den Komitaten Baranya, Somogy und Bács-Kiskun), es ist vielmehr so, dass Pécs ein beliebter Studienort für deutsche und deutschsprachige Studenten besonders des Faches Medizin, aber auch anderer Disziplinen ist: Germanisten, Lehramtskandidaten und andere junge wie auch ältere Geisteswissenschaftler zieht es für einen Studien- und Lehraufenthalt in die mediterrran geprägte, südlichste Großstadt des Landes. Insbesondere im Bereich des akademischem Verkehrs zwischen Deutschland und Ungarn und auch auf dem Gebiet des Städtetourismus ist es seit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 zu einen nachhaltigen Aufschwung und Ausbau gekommen, eine Entwicklung, die in der Herausnahme des Konsulates aus dem verträumten Altstadtwinkel, in denen das deutsche Konsulat mit denen anderer Staaten, so dem österreichischen, in einem Gebäude residierte, in eigens dafür gemietete Räume im Rektoratsgebäude Rechnung getragen wird. Das Amt des deutschen Honorarkonsuls, erläuterte Dr. Hoffmann, „ist auch ein beratendes“, hier würden nicht nur Beglaubigungen und Ersatzpässe ausgestellt und andere, typische konsularische Handlungen vorgenommen, vielmehr sei das Konsulat unter Frau Dr. Gerner mehr denn je nun eine „Anlaufstelle“ für hilfesuchende deutsche Studenten, wo ihnen fachkundiger Rat und Hilfe insbesondere bei der Erstorientierung zu Teil werde. Dies unterstreiche andererseits auch die Bedeutung Fünfkirchens, wie Pécs seit dem 18. Jahrhundert von den „Donauschwaben“ genannt wird, als Studienort und akademisches Zentrum von internationalem Ruf, und zwar insbesondere auf dem Gebiet der deutschen Sprache und Minderheitenkultur, an deren Erforschung das Institut für Germanistik in der Ifjuság utca beteiligt ist.
Konsulin Frau Dr. Gerner ging in ihrer Antrittsrede auf die deutschen Wurzeln vieler historischer ungarischer Persönlichkeiten ein. Hier war die Wissenschaftlerin in ihrem Element; stellenweise glich die mit Spannung erwartete Rede der Professorin einem unterhaltsamen Fachvortrag. Erwähnt seien aus der langen Reihe von Beispielen, die die Rednerin in akzentfreiem Deutsch Revue passieren ließ, nur zwei: der Schriftsteller Sándor Márai, ursprünglich Großschmidt, der aus Kaschau (ungarisch: Kassa, gesprochen: Kascha), dem heutigen Košice, 2013 ebenfalls europäische Kulturhauptstadt, stammt, sowie Mihály von Munkácsy, eigentlich Michael Lieb, einer der gefragtesten Historienmaler des späten 19. Jahrhunderts („Die Landnahme“, 1891–93 für das Budapester Parlament). Mit dieser pointierten, farbenreichen Selbsteinführung hatte die Kultur-Diplomatin ihr Publikum endgültig auf ihrer Seite. Ein guter Tag für die Europäische Kulturhauptstadt, für die Baranya – schwäbisch: Branau – und die „schwäbische Türkei“ von Mecseknádasd bis Mohacs.